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Warum wir (mehr) antizipative Dankbarkeit brauchen

Autorenbild: Dr. Christian JulmiDr. Christian Julmi

Das Zeigen von Dankbarkeit erfüllt eine wichtige soziale Situation und ist für atmosphärisches Führen ein effektives Mittel zur Stärkung des attraktiven Bandes und der Perspektive der Geführten. Während Dankbarkeit in der Regel für etwas gezeigt wird, das bereits passiert ist, gibt es auch die sogenannte antizipative Dankbarkeit, mit der Führungskräfte ihre Dankbarkeit für etwas ausdrücken, das erst noch zu tun ist. Studien zeigen, dass diese Form der Dankbarkeit – auch atmosphärisch gesehen – besonders effektiv ist.


Was ist antizipative Dankbarkeit?

Dankbarkeit wird in der Regel nachträglich für bereits erbrachte Leistungen oder erlebte Situationen ausgedrückt. Sie ist ein Zeichen der Wertschätzung, das die Leistungen von anderen anerkennt und würdigt. Sie ist eine attraktiv-subdominante Antwort auf das Verhalten eines anderen, das dessen Perspektive anerkennt, die damit in der gemeinsamen sozialen Situation Geltung erfährt. In gewisser Weise ist sie eine soziale Bestätigung, einen Beitrag für die Gemeinschaft geleistet zu haben.

Demgegenüber ist antizipative Dankbarkeit keine Antwort auf ein Verhalten, sondern wird im Voraus geäußert, noch bevor das Gegenüber eine schwierige oder belastende Aufgabe beginnt. Das Ziel dieser antizipativen Dankbarkeit ist es, die bevorstehende Belastung emotional abzufedern, indem sie das Gefühl von sozialem Wert und Unterstützung stärkt. Es handelt sich also atmosphärisch nicht um eine Reaktion, sondern um eine attraktiv-subdominante Aktion, die eine attraktive Bindung schafft und zu einer attraktiv-dominanten Antwort einlädt, also zum Vollzug der Aufgabe. Die attraktive Bindung ermöglicht es, den Aufgabenvollzug bereits in ein Zugehörigkeitsgefühl zur sozialen Gemeinschaft einzubetten. So findet auf affektiver Ebene eine Entlastung statt.


Die Wirkung antizipativer Dankbarkeit

Jazaieri/O’Neill (im Erscheinen) haben sich in mehreren empirischen Studien mit der Wirkung von Dankbarkeit auseinander gesetzt. Sie zeigen allgemein, dass Dankbarkeit eine bedeutende Funktion in der Emotionsregulation erfüllt, sowohl auf inter- als auch auf intrapersonaler Ebene. Sie kann dazu beitragen, positive Emotionen zu steigern und negative Emotionen zu reduzieren, was besonders in belastenden Situationen von Vorteil ist.

Ein besonderes Augenmerk der Studien lag auf antizipativer Dankbarkeit. Die Autoren zeigten, dass diese Form der Dankbarkeit sich als besonders wirksam erwies, da sie den sozialen Wert (das Gefühl, dass der eigene Beitrag geschätzt wird) stärkt und so zu größerer Resilienz (Widerstandsfähigkeit) und Beharrlichkeit bei der Arbeit führt. Dies stimmt mit der Analyse der antizipatorischen Dankbarkeit aus Sicht der atmosphärischen Führung überein.

Die Autoren zeigten weiter, dass antizipative Dankbarkeit sogar eine stärkere emotionsregulatorische Wirkung hat als Dankbarkeit, die nach einer schwierigen Aufgabe ausgedrückt wird. Während letztere auch geschätzt wird, führt sie nicht zu derselben positiven emotionalen Anpassung und Verstärkung des sozialen Werts. Antizipative Dankbarkeit fördert demnach ein stärkeres Gefühl von Bedeutung und Zweck, was es den Geführten ermöglicht, auch in herausfordernden Zeiten engagiert und produktiv zu bleiben. Auf diese Weise können sie in stressigen Arbeitsumgebungen ihre Emotionen regulieren und weiterhin effektiv arbeiten.


Fazit

Antizipative Dankbarkeit, als präventives Mittel im Rahmen (attraktiver) atmosphärischer Führung, bietet eine effektive Möglichkeit, Mitarbeitende emotional auf bevorstehende Herausforderungen vorzubereiten. Sie schafft eine attraktive Bindung, die das Gefühl von sozialem Wert und Zugehörigkeit stärkt, was zu erhöhter Resilienz und Beharrlichkeit führt. Diese Form der Dankbarkeit wirkt stärker auf die Emotionsregulation als nachträgliche Dankbarkeit und unterstützt so das langfristige Engagement und die Produktivität der Mitarbeiter in belastenden Arbeitsumgebungen.


Literatur

Jazaieri, Hooria/O’Neill, Olivia A.: Thanks in advance. The social function of gratitude expressions to employees in distress, in: Academy of Management Discoveries (im Erscheinen)

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