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Atmosphärengestaltung in virtuellen Teams

Die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass Arbeiten im Home-Office nicht nur gut funktionieren kann, sondern auch einige Vorteile für Mitarbeitende bietet. Es überrascht daher nicht, dass die Möglichkeit, von zu Hause aus zu arbeiten, inzwischen zu einem entscheidenden Faktor bei der Wahl des Arbeitgebers geworden ist.

Für die Führungskräfte bringt die Zusammenarbeit in überwiegend virtuellen Kontexten jedoch besondere Herausforderungen mit sich. Studien zeigen, dass Führung auf Distanz sich negativ auf das Vertrauen und die emotionale Bindung zwischen Führungskraft und Mitarbeitenden auswirken kann. Dies bedeutet jedoch nicht automatisch, dass diese Faktoren zwangsläufig schlechter ausgeprägt sein müssen. Vielmehr bedeutet dies, dass sich Führungskräfte in virtuellen Kontexten stärker um sie bemühen müssen. Als Erfolgsfaktoren der Führung auf Distanz gelten insbesondere die emotionalen Faktoren der Interaktion (vgl. Guttmann 2024, S. 34), also diejenigen Faktoren, mit denen sich die atmosphärische Führung im Kern beschäftigt.


Die neue Rolle der Führungskraft

In virtuellen Kontexten wie beispielsweise dem Arbeiten von zu Hause aus sind die Möglichkeiten der Kontrolle über Mitarbeitende begrenzter. Diesem Umstand kann grundsätzlich begegnet werden, indem Führungskräfte ihren Mitarbeitenden verstärkt Verantwortung übertragen und Entscheidungsfreiräume gewähren. Dies setzt in hohem Maße Vertrauen voraus, weshalb eine wesentliche Aufgabe von Führungskräften in virtuellen Kontexten darin besteht, Vertrauen aufzubauen (vgl. Böhmer/​​​Remhof 2020, S. 35). Studien belegen, dass virtuelle Führung insbesondere eine unterstützende Rolle einnehmen sollte. Es gilt für Führungskräfte also, Kontrolle abzugeben und sich vermehrt auf eine unterstützende, stärkende und vertrauensbildende Rolle zu konzentrieren (vgl. Bruch/​​​Fürstenberg 2023, S. 25).


Empathische Kommunikation

Empathie sowie ihr nonverbaler Ausdruck gelten als Schlüsselfaktoren für den Aufbau vertrauensvoller Beziehungen. Die Literatur unterscheidet zwischen einer kognitiven und einer affektiven Komponente der Empathie: Die kognitive Komponente bezieht sich auf die gedankliche Auseinandersetzung mit dem Befinden des Gegenübers; die affektive Komponente beschreibt das tatsächliche (Mit-)Empfinden dieses Befindens (vgl. Tüxen/​​​Muss/​​​Fürstenau 2023, S. 76).

Aus Sicht der atmosphärischen Führung sind beide Komponenten untrennbar miteinander verbunden. Sie nimmt an, dass wir andere (kognitiv) verstehen, indem wir sie (affektiv) fühlen. Sich in jemanden hineinzuversetzen und einzufühlen sind eigentlich dasselbe. Heißt: Nur wer sich auf einer affektiven Ebene auf das Befinden anderer einlässt, bekommt einen gedanklichen Zugang zum anderen.

Da es aufgrund der eingeschränkten Präsenz länger dauert, eine gemeinsame Atmosphäre herzustellen, sollten Führungskräfte mehr Zeit für Beziehungsarbeit in virtuellen Meetings einplanen. Dabei sollte die Kommunikation von Wertschätzung im Vordergrund stehen. Regelmäßige „Danke“-Botschaften, gerade in schwierigen Zeiten, sind ein Ausdruck von Wertschätzung und ein wesentlicher Bestandteil empathischer Führung (vgl. Einwiller 2022, S. 26). Ebenso empfiehlt es sich, zu Beginn eines Meetings die Beziehungsarbeit in den Vordergrund zu stellen, um von einem gemeinsamen Verständnis in guter Atmosphäre aus inhaltliche Themen anzugehen.

Es zeigt sich, dass eine empathische Führungskraft ein gefestigteres Auftreten der Mitarbeitenden fördert, ihre Leistung verbessert und die Beziehung zwischen führender und geführter Kraft verbessert (vgl. Tüxen/​​​Muss/​​​Fürstenau 2023, S. 77).


Fokussierung auf nonverbale Kommunikation

Im Vergleich zur Face-to-face-Kommunikation in der physischen Welt ist die Körpersprache in virtuellen Umgebungen nur begrenzt wahrnehmbar. Dies erschwert das Zeigen von Empathie ebenso wie das tatsächliche Verstehen des Befindens von Personen. Entsprechend wichtig ist es, nicht nur schriftlich, sondern auch mit Bild und Ton zu kommunizieren und besonders auf die nonverbale Ebene zu achten.

Mimik und Gestik können intensiv genutzt werden, um den Blickkontakt zu halten, andere zu bestätigen und eine offene Haltung einzunehmen. Bei der verbalen Artikulation sollte auf die Tonlage geachtet werden, um zu signalisieren, dass man anderen zuhört und sie versteht (vgl. Tüxen/​​​Muss/​​​Fürstenau 2023, S. 79). Da die Möglichkeiten des gegenseitigen Verstehens eingeschränkt sind, ist es ebenso wichtig, sich immer wieder rückzuversichern und aktiv nachzufragen, ob man das Gehörte auch richtig verstanden hat. Dies fördert nicht nur das eigene Verstehen, sondern auch das Gefühl des Gegenübers, verstanden zu werden. Auf diese Weise findet ein Austausch auf nonverbaler Ebene statt, wenngleich dieser eingeschränkt ist.

Neben dem eingeschränkten Sehen und Hören der Meeting-Teilnehmenden bieten viele Technologien zudem Möglichkeiten, die nonverbale Kommunikation zusätzlich zu unterstützen. So erlauben beispielsweise Emojis oder Likes die Unterstützung von Aussagen oder das Ausdrücken von Gefühlen. Auch virtuelle „Get-together“ zum informellen Austausch in virtuellen Räumen können die Beziehungsqualität zwischen Führungskraft und ihrem Team und damit die Atmosphäre als Ganzes verbessern.


Umgang mit dem Gefühl des Kontrollverlusts

Mehr als das Führen in Präsenz erfordert die virtuelle Führung, Kontrolle abzugeben. Viele Führungskräfte verbinden das Abgeben von Kontrolle mit Unbehagen. Schon die Vorstellung des Kontrollverlusts löst bei Führungskräften mitunter Angst aus. In der Folge geben sie detaillierte Vorgaben und pochen auf deren punktgenaue Umsetzung – also genau das, was bei virtueller Führung nicht besonders gut funktioniert.

Die Angst vor Kontrollverlust steht einer effektiven atmosphärischen Führung in virtuellen Kontexten daher entgegen; Führungskräfte müssen lernen, Kontrolle über die fachliche Umsetzung von Aufgaben abzugeben und die Eigenverantwortung der Mitarbeitenden zu fördern (vgl. Guttmann 2024, S. 35). Dies bedeutet, dass sie klare Ziele und Erwartungen kommunizieren, aber ihren Mitarbeitenden den Freiraum lassen, ihre eigenen Wege zu finden, um diese Ziele zu erreichen.

Im Gegenzug können sie dafür Kontrolle über die Atmosphäre in ihrem Team gewinnen, weil sie durch ihre Empathie und Öffnung mehr Sensibilität für die Schwingungen im virtuellen Raum entwickeln können. Dies erfordert jedoch, dass Führungskräfte lernen, loszulassen und ihren Mitarbeitenden zu vertrauen.


Erwerb von Medienkompetenz

Nicht zuletzt setzt eine gekonnte atmosphärische Führung auf Distanz auch eine Medienkompetenz voraus, also einen versierten Umgang mit den Medien der virtuellen Kommunikation (vgl. Guttmann 2024, S. 34). Führungskräfte, denen diese Kompetenz fehlt, könnten Schwierigkeiten haben, effektive Meetings zu organisieren, Informationen klar zu kommunizieren oder virtuelle Teams zu koordinieren. Dies kann zu Frustration bei den Mitarbeitenden führen und letztendlich nicht nur die Atmosphäre, sondern auch die Leistungsfähigkeit des Teams beeinträchtigen.

Darüber hinaus können Führungskräfte, die mit technischen Problemen kämpfen oder sich unsicher im Umgang mit digitalen Medien fühlen, dazu neigen, sich mehr auf sich selbst zu konzentrieren, anstatt ihre Aufmerksamkeit vollständig auf die Bedürfnisse ihrer Mitarbeitenden zu richten. Dies kann dazu führen, dass wichtige Signale oder Bedürfnisse der Mitarbeitenden übersehen werden, was die Beziehung zwischen Führungskraft und Team beeinträchtigen kann.

Aus diesem Grund ist es für Führungskräfte entscheidend, offen für aktuelle technologische Entwicklungen zu sein und kontinuierlich ihre eigenen technologischen Fähigkeiten zu verbessern. Dies kann durch Schulungen, Weiterbildungen oder einfach durch das aktive Engagement mit den verfügbaren Technologien geschehen. Nur so können Führungskräfte sicherstellen, dass sie die richtigen Werkzeuge nutzen, um effektiv zu führen und eine positive Atmosphäre in ihren virtuellen Teams aufrechtzuerhalten.


Fazit

Obwohl oder gerade weil die virtuelle Interaktivität nicht die inhaltliche, sondern die atmosphärische Ebene einschränkt, funktioniert gerade eine auf Inhalte fokussierte Führung nicht mehr. Dies demonstriert, wie wichtig die Atmosphäre in jeglichen Führungsbeziehungen ist. Jedes effektive Führen braucht eine gute Atmosphäre, in der sie stattfinden kann. Da diese gute Atmosphäre in virtuellen Kontexten eine besondere Zuwendung braucht, benötigt virtuelle Führung in besonderem Maße atmosphärische Kompetenz.


Literatur

Böhmer, Nicole/Remhof, Stefan (2020): Führen über Grenzen hinweg, in: Personalmagazin 22 (10), S. 34-37

Bruch, Heike/Fürstenberg, Nils (2023): Homeoffice und gesunde Hochleistung, in: Zeitschrift Führung + Organisation 92 (1), S. 22-27

Einwiller, Sabine (2022): Emotionale Bindung durch Mitarbeiterkommunikation in Zeiten von Virtualisierung, in: PERSONALquarterly 73 (3), S. 24-27

Guttmann, Marlow D. (2024): Eine Frage des Vertrauens. Führung auf Distanz, in: Personalführung 57 (2), S. 32-37

Tüxen, Dana/Muss, Caroline/Fürstenau, Bärbel (2023): Empathische Kommunikation in virtuellen Führungskontexten. Auswirkungen, Herausforderungen und Handlungsempfehlungen für Führungskräfte, in: Zeitschrift Führung + Organisation 92 (2), S. 76-81

 

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